Qualitätssicherung – Eine Illusion

Kann es überzeugen, dass nun allerorten Evaluierungs- oder Qualitätssicherungsforderungen, die in der Wirtschaft und in der Industrie ihre Berechtigung haben mögen, um zunehmend auch kulturellen Einrichtungen, wie Ausbildungsstätten, sozialen Einrichtungen, heilpädagogischen Instituten, Schulen, sogar Kindergärten auferlegt werden? Von anthroposophischer Seite sind solche Verfahren mit besten Absichten entwickelt worden, um staatlichen Forderungen entgegen zu kommen, ohne deren Erfüllung keine Genehmigungen und Finanzierungen zu erhalten sind. Der Verfasser, der seit vielen Jahren neue Ideen und Wege in der Kindergartenpädagogik entwickelt und in einem Kindergarten in Baden-Württemberg arbeitet, sieht diese Forderungen demnächst auch auf seine eigene Arbeit zukommen.

Da die tägliche Anstrengung, ganz in die Wahrnehmung der kindlichen Individualitäten zu kommen, nichts verträgt, was von diesem unmittelbaren Bemühen ablenken könnte, kann von außen verlangte Dokumentation von standardisierten Qualitätsnachweisen die ursprüngliche Verbindung mit den Kindern nur stören, verfremden und abkühlen. Und: In wessen Interesse ist derartige „Qualitätssicherung“? Wer darf „Qualität“ beurteilen? Was ist überhaupt „Qualität“? Lässt sich Qualität im menschlichen und sozialen Umgang durch Kontrolle steigern? Oder wird nicht eher durch zuschauerartiges Bewusstsein der spontane Wärmestrom in Pädagogik und im Sozialen abgetötet? Der Verfasser hat grundlegende Gedanken zu einer Evaluation, ausgehend von seiner Arbeit im Kindergarten, entwickelt und ein vorsichtiges Denk- und Handlungsschema skizziert, welches – wenn es von beurteilenden Behörden anerkannt würde, was manche Sachkenner für möglich halten – die Gefahr der Entfremdung von der eigentlichen Aufgabe eines Kindergartens am ehesten vermeiden könnte. Diese „Gedanken über kulturspezifische Evaluation mit besonderem Hinblick auf unseren Kindergarten“ sind beim Verfasser zu bestellen. Der folgende Text ist eine polemische Auseinandersetzung mit diesem, für unsere ganze Kulturentwicklung entscheidenden, Thema.

Als die Schule von Chartres wird eine geistige Bewegung bezeichnet, die in Frankreich und darüber hinaus, auch manifestiert durch den Bau einer Kathedrale, in Gestalt bedeutender Lehrer, wie Fulbertus, Bernardus Silvestris, Johannes von Salisbury, Alanus ab Insulis und ihrer Schüler in der Zeit von 1000 n.Chr. bis Anfang des 13. Jahrhunderts Ideen, Wege und Perspektiven entwickelt hat, die bis in die Gegenwart und in die Zukunft hinein in die Kultur Europas und der ganzen Welt ihre Wirksamkeit entfalten.

Wenn man sich nun das Gedankenexperiment erlaubt, sich ein geistiges Konzil aller an diesem gewaltigen Impuls Beteiligten vorzustellen, welches sich die Aufgabe stellen würde, aus den gesammelten Erfahrungen der Jahrhunderte ein Verfahren zu entwickeln, das die Qualitäten von vorne herein zu sichern vermöchte, die im Nachhinein als Resultat und Frucht zur Erscheinung gelangt sind, dann würde man – als Kenner der Schule von Chartres – sagen müssen: das gewaltige Konzil würde in ein tosendes Gelächter ausbrechen. Warum? Weil die Weisheit aller dieser Gestalten und die jedes Einzelnen wüsste: eine solche Versicherung von erst zu gewinnender Qualität ist ein sich aufhebender Widerspruch in sich selbst.

Und gelänge das Unmögliche, die Erfahrung eines langen Prozesses an den Anfang einer Entwicklung zu stellen, es wäre das Bedecken einer beginnenden Glut mit der Asche eines bereits erloschenen Brandes. Es wäre das im Altern Erstarren-Wollen eines heranwachsenden Kindes, es wäre das Versalzen einer erst strömen-wollenden Quelle, es wäre das sicherste Mittel, die Entwicklung der gewollten Qualitäten abzutöten. Das Verlangen nach einer Qualitätssicherung auf kulturellem, auf geistigem Gebiet würde von den Individualitäten von Chartres als eine bodenlose Dummheit oder als eine vernichtende Bosheit erkannt werden.

Was hier an dem Beispiel eines großen Impulses der Weltgeschichte gezeigt wurde, es ließe sich auf alle bekannten Impulse, Ideenkreise, Bauhütten, Werkstätten, Schulen, auf alle schöpferische Gruppen und Persönlichkeiten erweitern. Eine Qualitätssicherung, auf Rembrandt, Kandinsky, van Gogh oder Picasso ausgedehnt – man möge sich jeden Einzelnen von ihnen vorstellen, wie er sich beim Ansinnen, eine solche zu vollziehen, verhalten hätte.

Alle Qualität, die durch die Jahrtausende der Menschheits- und Kulturentwicklung zustande gekommen ist, hat sich gebildet aus einem Willensstrom des vorstellungsmäßig Unbewussten, in den das Sternenlicht der Ideen aus dem Schlafenden über das künstlerisch Träumende hinauf in das wortlos Erwachende hineingeleuchtet hat, bevor es in Worte, Begriffe und Gestaltungen gefasst wurde. Das Naiv-Unvollkommene als schöpferische Quellkraft ist der Ursprung aller Qualität.

Und wenn wir geistige Qualität als einen Teil eines Ganzen sehen, dann gehören dazu die anderen Kategorien, die Aristoteles als Weltenalphabet geschrieben hat: Wesen, Erscheinung, Qualität, Quantität, Raum, Zeit, Tun, Leiden, Lage, Relation. Eine Qualitätssicherung wäre erst dann eine, wenn sie eine Sicherung aller zehn Kategorien darstellte. Wenn über einen Weg nachgesonnen würde, an das Wesen der aristotelischen Kategorien heranzukommen, dann würde – ich bin mir sicher – auch das Gelächter der Weisen verstummen und ein Nachsinnen beginnen, wie in heutiger Zeit solcherart Qualität zu entstehen hätte, bevor man sie denn „sichern“ könnte.

Denn Qualitätssicherung im kulturellen Bereich kann man nur dann wollen, wenn man Angst hat, dass sie verschwinden könnte, ja, wenn man zweifelt, dass sie überhaupt da ist. Was ist „Qualität“, bezogen auf einen Kultur-, auf einen Sozialimpuls? Wer darf die Kriterien festlegen? Vor allem: wer hat das Recht, eine solche Sicherung zu fordern und – sie zu kontrollieren?

Wer diese Fragen prüft und sie zu beantworten sucht, sieht diese Forderung von außen kommend, von irgendwoher, aus dem unbekannten Zeitgeist, dem Anonymen, für das „die Gesellschaft“, „der Staat“, „die Behörden“, vor allem im Namen der Globalisierung sprechende übernationale Gremien sich nun drängend zum Sprachrohr machen. Um „Qualität zu sichern“, setzen sie die Macht der Finanzierung ein. Wer nicht „Qualität“ nachweist, bekommt kein Geld und verschwindet. „Qualitätssicherung“ bedeutet Versuch des Auslöschens aller sich diesem Versuch entziehenden Qualität.

Somit ist die „Qualität“ der aus dem Hintergrund verborgen handelnden Kraft bereits bezeichnet. Sie hat einen Namen und nichts ist ihr lieber, als durch „Qualitätssicherung“ die Gleichförmigkeit des Denkens, der Kultur, der Pädagogik und anderer Lebensbereiche zu erzeugen, diese zu normieren, zu standardisieren, um damit das Individuelle, das Schöpferische und das Wachsend-Unbekannte und -Unvollkommene auszulöschen.

Die Industrialisierung und Mechanisierung des Geisteslebens – alles dies mit euphemistisch wohlklingenden und schlauen Argumenten unterbaut – wer möchte nicht Qualität in allem Schlechten, das die Zeit bietet? – das ist das Ziel aller „Qualitätssicherung“. „Politisch korrektes Denken“ und „soziale Kompetenz“ als vorgegebene Denk- und Handlungsschematik sind die Hohlräume, in denen sich die wohlfühlen, denen die Kontrolle über die lebendigen Prozesse wichtiger ist, als das überraschend auftauchende Neue, dem sie nicht gewachsen sind, weil sie selber sich nicht entwickeln wollen und deswegen die anderen an ihrer Entwicklung hindern. Sie missachten das Unbehagen der anderen und wollen es – missionierend und mit Zwang – umlenken auf ihre unfruchtbaren Bahnen.

Wirkt doch alles so praktisch und überschaubar. Dunkle und unbearbeitete Winkel und Ecken des sozialen und kulturellen Lebens werden ausgeleuchtet. Und im Trainieren der einleuchtenden Fachbegriffe wird eine Gemeinsamkeit erzeugt, die zunächst weckend und belebend erscheint. Man schaut ja nun endlich hin auf Vernachlässigtes und macht es sich gemeinsam bewusst. Das ermuntert und, da alle in einer Institutionsgemeinschaft daran teilnehmen und alle betroffen sind, wird zunächst jedem geholfen und niemand an den Pranger gestellt. Zunächst – aber das wird sich ändern.

Denn wer sich weigert, an dieser „Gemeinsamkeit“ teilzunehmen, der wird den Druck der Gemeinschaft unvermittelt zu spüren bekommen und vor allem derer, die ihren ganzen Gefallen daran haben, diesen Bewusstwerdungsprozess zu lenken. Haben diese doch alles Interesse daran, ihre eigene mangelnde individuelle Identität zu verbergen hinter dem gemeinsam entstehenden Bewusstsein. Wer diese Mechanismen kennt – und sie sind ja uralt – der sieht, wie das Prinzip der Gleichheit auf das Gebiet der Freiheit unstatthaft hinübergezogen wird. Und da weiß man, dass einige gleicher sind als andere und eine Kollektivierung des Denkens vorantreiben, bei welchem die führen, die rasch formulieren und ihren Willen einzusetzen verstehen, und die geführt, gehemmt, ja erstickt werden, die das Tempo nicht mithalten und die aus der Tiefe ihres Wesens das nicht hervorholen können und wollen, was sich nicht zur allgemeinen Betrachtung eignet: nämlich das eigentlich Schöpferische. Das sind dann die Spielverderber und Störenfriede. Und sie werden entsprechend abgestraft. Kein Qualitätssicherungsverfahren hindert die Instinkte von Menschen, in schönste Beteuerungen und Phrasen verkleidet, sich in Gemeinschaften und Institutionen solcherart auszuleben. Denn moralische Läuterung des Einzelnen – Voraussetzung aller sinnvollen Entwicklung – lässt sich durch keine Qualitätssicherung erreichen. Und damit fällt sie als Ganzes.

Wie aber haben Werkgemeinschaften in allen Kulturepochen gehandelt, um geistige Qualität zu erzeugen? Nehmen wir eine Bauhütte, eine Dorfgemeinschaft, eine Zimmerei, eine Schmiede. Wir sehen immer die Beweglichkeit der arbeitenden Glieder, der Arbeitsbewegungen im Verhältnis zueinander. Das aristotelische Prinzip der Relationen ist für alle spürbar. Die an dem Arbeitsobjekt sich orientierenden Relationen der Beteiligten werden als Arbeitsbewegung, ja als eine tänzerische Choreographie für alle erfahrbar: beim gemeinsamen Schmieden, bei Zimmerleuten, die einen Dachstuhl errichten, bei pflügenden, säenden, erntenden, dreschenden Landleuten, bei den Steinmetzen die im gemeinsamen Klang von Schlegel und Eisen auf das Material konzentriert sind.

Qualität wird erzeugt und gesichert – völlig wortlos und für alle überschaubar – in der gemeinsamen Hinwendung auf das Objekt. Im Tun erfolgt die Korrektur durch die Beachtung der Hierarchie Meister, Geselle, Lehrling. Das Arbeitsobjekt, das Material belehrt, indem es – in der wahrgenommenen Leistung gegen Widerstand – Wesen, Erscheinung, Qualität, Quantität, Raum, Zeit, Tun, Erleiden, Lage und Relation dem Willen der Arbeitenden verkündet. Arbeit allein sichert Qualität! Die Verhältnisse der gemeinsam Arbeitenden sind musikalisch (wie Rudolf Steiner es in den Lehrerkonferenzen als Bedingung einer neuen Pädagogik fordert) und tänzerisch vereint. „Werden Sie Tänzer, meine lieben Freunde!“ sagt Rudolf Steiner zu den Heilpädagogen.

Die Iche sind, wie Rudolf Steiner es im Vortrag von Bologna darstellt (1911), außerhalb des Leibes im Objekt der Tätigkeit verbunden. Was Schiller in der Schrift „Kallias oder über die Schönheit“ als das Urphänomen des Sozialen beschreibt – Behaupte deinen Willen, schone den Willen der Anderen – es ist als Tanzbewegung in jeder Werkstatt, in jedem echten kulturschaffenden Arbeitsvorgang zu erblicken. So aber auch hat man sich zum Beispiel die meditativ-künstlerischen Arbeitsgespräche der Platonischen Akademie in Florenz vorzustellen, die gemeinsames Bewegen und Musizieren kannte.

Was aber geschieht? Einerseits völlig hingegebene Konzentration auf den Arbeitsvorgang, auf den Baugedanken, auf die Idee. Andererseits nicht selten Zurufe, Scherze, ja Gesang! In Finnland haben die Waldarbeiter regelmäßig nach anstrengender Arbeit miteinander gebalgt, bis die Arbeitsspannung aus den Muskeln und aus den Seelen vertrieben war. Die Sauna, in der Erntezeit täglich genossen, tat ihr Übriges dazu. Das heißt: das soziale Leben, die Arbeitsgemeinschaft wurde eine Quelle des Genusses. Qualität wurde genossen. Genossenschaft entstand durch rhythmisches Verbinden der Gliedmaßentätigkeit, wozu auch das gemeinsame Mahl gehörte. Und vor allem Humor.

So waren in einem großen Umkreis die Willen verbunden im Arbeitsobjekt, aber auch hinausgehend in die Landschaft. Die Naturwesen wirkten mit, die Engel, die Verstorbenen und die Ungeborenen. In das frei fließende Willensleben strömten vor allem ein die Kräfte der entstehenden Zeit, die Rudolf Steiner Involution nennt, im Gegensatz zur kausalen, aus der Vergangenheit kommenden Evolution. Schöpferische Einfälle entstanden in Einzelnen und im Zusammenwirken, die Quelle der eigentlichen Qualität, welche Rudolf Steiner die „Schöpfung aus dem Nichts“ nennt (Geisteswissenschaftliche Menschenkunde    9. Vortrag). Die Atmung von Vorbewegung, Bewegung und Nachbewegung – eine solche zum Beispiel in der Flurbegehung, aber auch bei Richtfesten, überhaupt bei Festen – waren die Quelle leiblich-seelisch-geistiger Hygiene, des hygienischen Okkultismus, der Aufgabe Mitteleuropas.

Immer waren die Leiber mit einbegriffen, deren lastende Schwere aufgehoben wurde und die in die Leichte versetzt, gesundend wirken konnten. Das tänzerisch-musikalische Grundelement durchdrang ausgleichend, anfeuernd, befruchtend alle Arbeit, alle Kultur. Durch den Tanz, durch die Bewegung, auch in dem gedanklichen Austausch und in der Darstellung, wirkte das Element der Nacht hinein, also die lebendige geistige Welt und die Erneuerung der Kräfte und damit auch das Auslöschens beschwerender Erfahrungen und bedrängende Erlebnisse.

Die wortlose Verständigung durch Gesten und Blicke der das Feuer Löschenden, den Baum Pflanzenden, der gemeinsam das weißglühende Eisen Schmiedenden, der mit gemeinsamem Ruck die Dachbalken Hebenden, der Ruderer und Drescher, befeuerte nicht nur die Arbeit, erquickte nicht nur das Selbstbewusstsein der Genossen, sondern sicherte die Qualität, indem sie diese im Fortschreiten ständig weiterentwickelten. Wer die Erkenntnisgespräche wahrer Philosophen und Forschern untersucht, wird nichts anderes auch auf geistigem Gebiete finden.

Was ist nun die Werkstatt der Erzieher, was sind ihre Arbeitsbewegungen, was sind die Objekte ihrer Aufmerksamkeit, an welchem sich die Qualität entzündet und entwickelt? Vor allem: wer hat die Qualität pädagogischer Arbeit zu beurteilen?

Wenn wir davon ausgehen, dass Qualität sich bildet und korrigiert am Objekt, dann ist die Frage des pädagogischen Objekts und des mit ihm verbundenen Sozialen. Lässt sich das Soziale eines Schul- oder Kindergartenkollegiums „qualitätssichernd“ trennen von der pädagogischen und erzieherischen Aufgabe? Welchen Sinn hat das Soziale eines Kollegiums und dessen Funktionieren oder nicht, wenn es nicht denen in erster Linie dient, um die es geht, die Kinder? Ja, lässt sich hier oder auf anderen Gebieten, eine wohlfunktionierende „Qualitätssicherung“ als eine freischwebende Gespensterwelt vorstellen, die unter Umständen schlechtere Qualität den Kindern oder der eigentlichen Aufgabe gegenüber zur Folge hat, eben weil „Qualitätssicherung“ zum Selbstzweck wird und die Kraft abzieht?

Könnte es sein, dass Qualität solche Menschen sichern wollen, die keine haben, Qualitätssicherung als der illusionäre Versuch, die Qualität wenigstens im „Sichern“ herzustellen, die in der Realität nicht vorhanden ist? Die Schildbürger versuchten die Sonne in Kästen und Körben zu fangen, um sie in ihr fensterloses Rathaus zu bringen: ihre Form von Qualitätssicherung! Der Geist weht, wo er will. Wie kann man regelmäßige Windmühlen mit ihm betreiben wollen?

Wenn die Kuh ein kosmisch-irdisches Bild für die Entstehung von Qualität auch eines sozialen Organismus ist, indem ihr Organismus Milch erzeugt, weil ihr ganzes Wesen auf die ihr eingeborene Tätigkeit konzentriert ist, so wäre die „Qualitätssicherung“ einer Kuh wie ein danebenstehendes Gespenst, das statt Milch – „Qualitätssicherung“ hervorbringt. So betrachtet erweist sich „Qualitätssicherung“ als Doppelgängertätigkeit und Doppelgängererzeugung.

Nachdem die zunächst belebende Phase einer solchen, doch von außen vorgedachten Methode spürbar sein wird, wie so manches Neue, wird sie bald sein wie in Charlie Chaplins Film Modern Times die Essmaschine, die ihr Tempo dem Willen der von ihr Gespeisten aufzwingt und dabei den individuellen Willen einem anonymen Wesen unterwirft, das scheinbar nicht vorhanden, aber gerade deshalb wirksam ist.

Der Gleichschritt des sozialen Organismus, zunächst erfrischend, wie jeder kollektive Aufbruch, wird zur Nivellierung der Eigentätigkeit, weil die Kraft zu dieser im erzwungenen Miteinander verbraucht wird.

Der schöpferische Mensch selbst, er, der wahrhaft Qualität erzeugt, weiß, dass er sie nicht sichern und halten kann. Wie können unschöpferische Menschen diese, die sie aus ihrer individuellen Freiheit nicht genügend zu schaffen vermögen, aus der Gleichheit eines auferlegten Verfahrens erzeugen, ja „sichern“ wollen?

Wer aber, in einer pädagogischen Gemeinschaft, ist wahrhaft schöpferisch, wenn man die Schöpferkraft durch falsches Verhalten nicht stört? Es sind die Kinder, die Jugendlichen, um deren Entwicklung es doch geht. Wenn also auch die geistige Qualität erzeugt und korrigiert wird einzig im Objekt der Aufmerksamkeit, dann ist die von Erziehern und Lehrern dahin zu richten, woher die Kinder ihre Entwicklung beziehen.

Nicht die Kinder, wie sie physisch da sind, sind die Objekte qualitätsbildender Aufmerksamkeit von pädagogischen Kollegien. Dieser verbreitete und verheerende Irrtum muss erkannt und beseitigt werden. Im Anschauen der „Kleinen“, deren Entwicklung man befördern will, hat man nicht das Objekt pädagogischer Qualitätsbildung zu sehen. Im Gegenteil: durch die Ansicht, kleine und unvollkommene Wesen sollen groß werden und in die Vorgaben hineinwachsen, die wir als Erwachsene gesetzt haben, schafft man eine materialistische, an der Auslöschung von Mängeln sich orientierende, Quelle pädagogischer Qualitätsvernichtung!

Was erzeugt die Ermüdung von Einzelnen und Kollegien? Es ist der letztlich vergebliche Kampf gegen etwas. Trägheit, Interesselosigkeit, Unruhe, Aggressionen, Unwille sich zu entwickeln in der Richtung, die Pädagogen vorgeben. Was aber ist der eigentliche Fehler in diesem Denken? Es gelingt nicht, die Aufmerksamkeit des Erwachsenen dahin zu richten, wo die ursprüngliche, vom Himmel kommende Aufmerksamkeit des Kindes doch liegt und liegen muss: auf die vorgeburtliche Vorbereitung eines tätigen Lebens in einer krisenhaften Zeit.

Wo aber ist Gelegenheit, diesen Urimpuls eines jeden Kindes kennenzulernen? Im ersten Lebensjahrsiebt, im Kindergarten. Gelänge es, den Kindergarten zu einer Werkgemeinschaft zu gestalten, in welcher die arbeitenden Erwachsenen im Kulturfortschritt sich wahrnehmend verbinden mit den im Spiel sich offenbarenden Kindern, dann würde ein daran anschließendes Schulkollegium sich den Impulsen und Erfahrungen einer solchen, aus Spiel und Arbeit sich speisenden, Werkgemeinschaft hinwendend öffnen. Hier hätten wir das Vorbild und Urbild der Qualitätsbildung zugunsten der Kinder, die auf keine indirekte Weise und mit keiner Methode zu erreichen ist. Die Unmittelbarkeit der geistigen Wahrnehmung des kindlichen Entwicklungswillens allein ist das Objekt des Erziehers, aus dem geistige Qualität entsteht und an dem sie sich – kräftespendend – zu orientieren vermag. Sie liegt in der Wahrnehmung der wahren Natur des kindlichen Spieles, welches sich im Umkreis arbeitender Erwachsener bildet.

„Qualitätssicherung“ ist das illusionäre Zwangswort zur Vernichtung wahrer Qualität. In Menschengruppen und Institutionen, die sich geistiger Freiheit verpflichtet fühlen, gelte es, Methoden und Wege zum Schutze vor Qualitätssicherung zu finden, nach den Sprüchen der Bibel: „Trachte zuerst nach dem Reiche Gottes, dann wird euch alles andere zufallen.“ Und: „Gebt Gott was Gottes und dem Kaiser was des Kaisers ist.“ Das hieße, eine Doppelspurigkeit zu entwickeln, mit welcher der freie, aus den Individualitäten kommende Bezirk geschützt wird durch eine Drachenhaut von „Resultatsnachweisen“ einer höheren Dimension, welche, als „Futter für die Wölfe“, das schöpferische Gebiet freihält, um die Menschen innerhalb des öffentlichen prüfenden Systems aufzuwecken und auf ihre eigene innere Verbundenheit mit der geistigen Wirklichkeit aufmerksam zu machen.

 

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